Projektwoche Gerechtigkeit

Klimawandel, Geflüchtete, Bildung: 2500 Schüler aus Schaumburg nehmen Gerechtigkeit in den Blick

Schulleitungen, Lenkungsgruppe, Gemeindevertreter und Landesbischof Dr. Karl-Hinrich Manzke (Vierter von links).

Vier Schulen, 2500 Schüler, eine Projektwoche: Es ist ein Mammutprojekt, das vom 4. bis 8. Juli 2022 in Schaumburg stattfindet. Ob Klimawandel, Geflüchtete, Nachhaltigkeit oder Bildung – über allen Projekten steht das Thema „Gerechtigkeit“. Das Rahmenprogramm ist offen für alle Interessierten.

Landkreis. Das Wort ist nicht zu übersehen. Hoch über dem Portal zur St.-Martini-Kirche in Stadthagen leuchtet es auf, in Rot auf einem Banner deutlich hervorgehoben: „Gerechtigkeit“. Vom 4. bis 8. Juli werden sich insgesamt rund 2500 Schüler an vier Schulen im Landkreis Schaumburg mit den unterschiedlichsten Aspekten der Frage der Gerechtigkeit beschäftigen. Ein Rahmenprogramm rundet die Auseinandersetzung ab, die auf eine Initiative der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche zurückgeht.

Auf einer Pressekonferenz, zu der Landesbischof Karl-Hinrich Manzke gemeinsam mit der ebenfalls beteiligten St.-Martini-Gemeinde ins Stadthäger Marie-Anna-Stift eingeladen hatte, wurde das Konzept näher vorgestellt. Dabei machten die Schulleitungen auch deutlich, inwiefern sich die Bedingungen und die Vorgehensweise am Gymnasium Adolfinum in Bückeburg, der Oberschule am Schlosspark, den Berufsbildenden Schulen und dem Ratsgymnasium, alle in Stadthagen angesiedelt, unterscheiden. Man denke nur an die Schulentlassungen und gewisse Traditionen von Wandertag und Exkursion.

Für alle vier Schulen gilt vermutlich so kurz vor den Sommerferien, was Angelika Hasemann als Leiterin des Ratsgymnasiums so auf den Punkt brachte: „Alles ist besser, als bloß Filme zu schauen.“ Filmprojekte und Projektfilme waren nicht gemeint.

Manzke hatte zu Beginn daran erinnert, dass man ursprünglich das Ziel hatte, die Kooperation zwischen den Schulen zu intensivieren, auch schon im frühen Vormittagsbereich. Dann hätte man auch die Kinos sehr sinnvoll einbeziehen können. Angesichts der weiter bestehenden Infektionsgefahr hat man sich in der projektbezogenen Lenkungsgruppe dafür entschieden, sich bei der Arbeit in Workshops auf die einzelne Schule zu beschränken. Für die unterschiedlichsten Themen konnten Kooperationspartner gewonnen werden.

Als Beispiele nennen die Veranstalter das Welthaus Bielefeld, das Evangelisch-lutherische Missionswerk, den kirchlichen Entwicklungsdienst, die Bundespolizei, Greenpeace, Amnesty International, Flüchtlingshilfsinitiativen und das Diakonische Werk.

Projektwoche „Gerechtigkeit“: Rahmenprogramm offen für alle Interessierten

Für das überaus anspruchsvolle Rahmenprogramm stehen die St.-Martini-Kirche und die Stadtkirche in Bückeburg als Orte zur Verfügung. Da haben auch Interessierte, die nicht zu den jeweils beteiligten Schulen gehören, freien Zutritt.

• Der Terminkalender des in Stadthagen aufgewachsenen Juristen und Finanzexperten Burkhard Balz (CDU), der seit ein paar Jahren dem Vorstand der Bundesbank angehört, hat es nötig gemacht, am Montag um 9.30 Uhr zu beginnen. In der Stadtkirche Bückeburg geht es bis 11 Uhr um die Frage: „Ist der Klimawandel bezahlbar?“

• Am Dienstag heißt die Leitfrage an derselben Stelle, aber erst ab 11.30 Uhr: „Wie viele Flüchtlinge verträgt Europa?“ Dabei sollen auch konkrete Bezüge zur Situation am Ort und in den Schulen hergestellt werden. Das Wort von der Verteilungsgerechtigkeit hat hier eine etwas andere Bedeutung als im Rahmen der Sozialpolitik.

• „Gerechtigkeit – was ist das?“, fragt man am Mittwoch in der Stadthäger St.-Martini-Kirche. Zwischen 11.30 und 13 Uhr soll die Vielschichtigkeit der Problematik zur Sprache kommen. Vertreter von Amnesty International werden über ihre Arbeit für die Verwirklichung der Menschenrechte berichten – also gegen Unrecht und Ungerechtigkeit.

• Von 11.30 bis 13 Uhr bilden „Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ die Leitworte der Auseinandersetzung. Ob Innenminister Boris Pistorius (SPD) anwesend sein kann, um auch mit Schülern ins Gespräch zu kommen, sei noch unsicher, so Manzke.

• Am Abend wird die Gruppe Gen Verde aus Italien ein Konzert geben. Die multikulturell zusammengesetzte Formation, die vormittags Workshops anbietet, gibt Schülern und Schülerinnen Gelegenheit, auf der Bühne mitzuwirken. Dem Thema Gerechtigkeit weiß man sich inhaltlich und konzeptionell verpflichtet. Beginn ist um 18 Uhr in der St.-Martini-Kirche. Der Eintritt ist frei. Die Veranstalter bitten um Unterstützung durch Spenden. Nach dem Konzert soll auf dem Anwesen der Gemeinde und rund um die Kirche gefeiert werden.

• Am Freitag hofft man auf den Besuch von Kultusminister Grant Henrik Tonne (SPD), wenn von 11.30 bis 13 Uhr in der St.-Martini-Kirche Ergebnisse vorgestellt werden, Bilanz gezogen und ein Ausblick formuliert wird.

Klimawandel, Geflüchtete, Nachhaltigkeit, Bildung: Schulen setzen verschiedene Schwerpunkte

Für viele ihrer Schüler seien vor allem Fragen der Bildungsgerechtigkeit von großer Relevanz, betonte Britta Liebelt, die Leiterin der Schule am Schlosspark. Siebzig Prozent hätten einen sogenannten Migrationshintergrund. Cornelia Kastning konnte als Leiterin des Adolfinums berichten, dass nicht wenige Projekte von Schülern geleitet werden. Eins richte sich ganz gezielt an Flüchtlinge aus der Ukraine.

„Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ lautet ein Schwerpunkt, an dem die beteiligten Schüler der BBS bereits gearbeitet haben. Ergebnisse werden im Rahmen einer Ausstellung in der St.-Martini-Kirche präsentiert, kündigte Sven Janßen als stellvertretender Schulleiter an.

Am Ratsgymnasium gehört etwa das Problem der Rohstoffgerechtigkeit zu den Workshop-Themen. Die Liste ist lang. Genannt wurden ausdrücklich die fehlende Ernährungsgerechtigkeit und das Problem zunehmender Armut. Der Gedanke, in Projekten anders zu lernen als vor Klausuren, soll berücksichtigt werden, natürlich altersabhängig und offen für alle Sinne.

Die Veranstaltung wird neben der Landeskirche von der Schaumburger Landschaft, der Bürgerstiftung Schaumburg und der Niedersächsischen Arbeitsgemeinschaft für Bildung und Politik finanziell unterstützt. Innerhalb der Schulen kommt bei einigen Workshops die Hilfe des jeweiligen Fördervereins zum Tragen.

Projektwoche soll nachhaltig wirken – und nur ein Auftakt sein

Angesichts der Reichweite und Komplexität der Probleme verstehen die Veranstalter ihr Wirken als Auftakt. Und sie setzen auf Nachhaltigkeit der Bemühungen. Zudem schaffe die Dokumentation, so Bischof Manzke auf Nachfrage, in Film und Text und die Präsentation auf den Homepages der Schulen eine Basis für Folgeprojekte. Als Teil von Demokratiebildung sehen die Veranstalter ihr Leitwort der Gerechtigkeit in einem lebendigen Bezug zu den Idealen der Freiheit, Gleichheit, und Brüderlichkeit.

Sibylle Kessal-Wulf, in Karlsruhe als Richterin am Bundesverfassungsgericht tätig, wird ebenfalls einbezogen, allerdings nur durch Zuschaltung. Sie hat schließlich ununterbrochen mit dem Thema der Gerechtigkeit zu tun, mit Normgerechtheit und Gerechtigkeitsnormen.

Auf Notengerechtigkeit dürfte die Projektarbeit kurzfristig keinen Einfluss mehr haben. Zensiert wird nicht. Langzeitwirkungen aber, so hörte man am Rande aus Lehrermund, seien das Ziel, gerade durch die Verknüpfung von Sensibilisierung für Ungerechtigkeit und Kompetenzerweiterung zur Schaffung von mehr Gerechtigkeit. Insofern könnte der Banner auch länger hängen bleiben an der St.-Martini-Kirche als Erinnerung, Mahnung und Verpflichtung.

Schaumburger Nachrichten: Volkmar Heuer-Strathmann 28.06.2022, 06:00 Uhr

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